Ein Pferd in der freien Wildbahn legt pro Tag bis zu 50km zurück, davon auch immer mal wieder Sequenzen in Trab oder Galopp, z.B. bei Anstiegen, dem Aufschließen oder Flucht. Ein Aktivstall in Schleswig-Holstein mit 19Hektar Fläche, hat einmal per GPS Tracker ermittelt wie viel Strecke deren Pferde im Schnitt laufen und kamen auf ca. 17km. Schaut man sich die meisten Offenställe an, kommt man in den seltensten Fällen auf 19 Ha. Die FN empfiehlt bei Gruppenhaltung ca 100m² pro Pferd, selbst bei einem Schnitt von 200m² sollte klar sein, dass selbst das bewegungsfreudigste Pferd vermutlich gerade mal knapp in einen 2stelligen Bereich kommt. Selbst mit den besten Voraussetzungen reicht die Haltung oft nicht aus, dem Lauftier Pferd genügend Bewegung zu ermöglichen.
Bewegungsapparat: Regelmäßiges Training erhöht die Knochendichte, stimuliert Gelenke und Knorpel, erhält die Beweglichkeit (Stichwort: Athrose) und verbessert den Energiestoffwechsel der Muskulatur. Auch Sehnen- & Bandstabilität erhöht sich mit unterschiedlicher Belastung. Ein flotter Galopp auf unebenem Boden sollte normalerweise bei keinem Pferd zu ernsthaften Verletzungen führen, in der Realität sieht das leider oft anders aus, durch die platinierten Böden auf Paddock, Platz, Reithalle und teilweise auch im Gelände, verzeihen Sehnen und Bänder immer weniger ungewohnte Impulse.
Herz-Kreislaufsystem: Gezieltes Training erhöht unter anderem das Blutvolumen, regt vermehrt die Produktion von roten Blutzellen an, die maßgeblich für den Sauerstofftransport zuständig sind. Die Kapilardichte wird erhöht (verbessert Stoffaustausche im Gewebe). Das Volumen von Herz und Kammer wird erhöht, was zur Folge hat, dass bei gleicher HF mehr Blut und somit auch mehr Sauerstoff durch den Kreislauf gepumpt wird. Nicht nur für Atemwegskranke Pferde wichtig, aber auch die Sauerstoffaufnahme sowie CO2 Abgabe werden effizienter.
Atemwege: Die Lunge benötigt Bewegung zur Aufrechterhaltung der Selbstreinigungsfunktion, außerdem fand man in der Humanmedizin heraus, dass Bewegungsmangel eine Abnahme der funktionsfähigen Lungenbläschen zur Folge hat, sowie den Blutfluss verlangsamt.
Rechenbeispiel: Ein 500-600kg Pferd hat in etwa ein Lungenvolumen von 40-50Liter, geht man im Schritt von einer Atemfrequenz von 65/pM und 6L Sauerstoffaufnahme pro Atemzug aus, werden dabei gerade mal 7% des Lungenvolumens genutzt. Atmet das Pferd Im Galopp hingegen ca 9L(18%Lv) pro Atemzug ein, und macht davon 113pro Minute werden 1017 Liter bewegt. (Sidefact: Bei den meisten Atemwegserkrankungen hat die Lunge bei Diagnosestellung in der Regel schon um die 70% des Volumens verloren, wird das Pferd dann nicht bewegt, beginnt eine Negativspirale)
Verdauungsapparat: Durch das Schwingen des Darms in der Bauchhöhle wird der Transport der Nahrung gefördert und somit die gesamte Darmperistaltik unterstützt. Bewegung ist dementsprechend auch verdauungsfördernd (und eine gute Prophylaxe von Koliken).
Der Huf: Bewegung bzw. der Hufmechanismus ist aufgrund der Tatsache, dass sich ab Höhe der Karpal- oder Sprunggelenke keine Muskeln mehr befinden, maßgeblich für die Durchblutung der distalen Gliedmaße zuständig. Auch wenn das Herz, das Blut durch den Körper pumpt, unterstützt der Huf durch die sogenannten Blutpumpe (weiten und zusammenziehen der Hufkapsel beim Auftreten) den Blut- und auch Lymphfluss. Des Weiteren ist eine gute Durchblutung auch für die Nährstoffversorgung und somit die Hufgesundheit wichtig.
Schweiß: Schwitzen ist eine effektive Möglichkeit des Körpers neben Leber und Niere Giftstoffe und Stoffwechselschlacken auszuscheiden
Dies sind nur einige Beispiele, warum Training physiologisch wichtig ist, wenn unsere Pferde nicht zufällig frei und wild leben.
Über allem steht „Ein starker Körper macht einen starken Geist und umgekehrt“, deswegen kann man Physis und Psyche nicht voneinander trennen. In meiner Recherche bin ich vor allem was die Psyche des Pferdes angeht, auf nicht allzu viel Fakten gestoßen, denn leider können Pferde nicht sprechen, also muss man viel Wissen vom Menschen auf das Pferd übertragen, für Kritiker wird es in diesem Teil also viel „menscheln“.
Stressabbau: Jeder der mit Pferden zu tun hat kennt es: Flight, Fight, Freeze, Fawn- bieten die beiden ersten Flucht und Kampf noch die Möglichkeiten Adrenalin durch Bewegung abzubauen, verbleibt bei Einfrieren und Nachgeben genau jenes im Körper und kann u.a. vor allem wenn diese Zustände längerfristig anhalten, stressbedingte Erkrankungen wie z.B. Magengeschwüre verursachen. Studien aus der Humanforschung belegen, dass auch aerobe Bewegung wie Joggen (z.B. locker Traben) unerwünschtes Cortisol und überschüssiges Adrenalin und somit psychischen Stress abbauen, es muss also nicht immer Galopp am Ende des Tempolimits sein, es hilft einem Pferd schon, wenn es locker vor sich hintraben, auch wenn der zünftige Galopp dem Pferd nach einer Schrecksituation vermutlich lieber wäre.
Körpergefühl: Leider gibt es immer mehr Pferde mit einem gestörten Körpergefühl, nicht aufgrund von physiologischen Ursachen, sondern sensomotorischen Defiziten. Diese trainiert man nur durch wechselnde Reize an Balance, Kraft, Haut usw. , vor allem wenn gesunde Pferde im Gelände ständig stolpern, weil sie mit „in die Gegend schauen“ beschäftigt sind, kann man überspitzt beinah von motorischer Degeneration sprechen, denn in der Wildnis wäre das vermutlich ein Todesurteil. Ein gestörtes Körpergefühl bzw- Wahrnehmung führt nicht nur zu Verletzungen, weil das Pferd irgendwo anstößt oder sich unwissentlich in Gefahr bringt. Im Humanbereich werden psychsiche Erkankungen immer parallel durch Ergo- oder Körpertherapie begleitet, da Körperbewußtsein maßgeblich mit der Psyche verbunden ist.
Psyche: Pferde lieben die Bewegung (faule Pferde gibt es nicht), dafür sind sie von der Natur bestens ausgestattet, mittlerweile gibt es immer mehr Belege dafür, dass auch Pferde an Depressionen erkranken können (auch wenn die Forschung dazu noch nicht mal in den Kinderschuhen steckt, eher in Babysocken), als Hauptursachen geht man bislang von druckbasiertem Training bzw. Überforderung aus, aber auch Langeweile kann zu einer Depression führen. Schaut man sich ein Pferd nach einem wilden(selbstgewählten) Galopp auf der Weide an und sieht wie die Augen leuchten, erkennt man sehr schnell, dass sie solche Erlebnisse nicht nur für ihren Körper benötigen.
Pferde in freier Wildbahn können bedürfnisorientiert ihrer Lauffreude nachgehen, wie ausgeprägt diese ist, unterscheidet sich im Wesen, aber selbst der größte Energiesparer, wird hin und wieder buckelnd und furzend (Darmperistaltik) durchstarten, aber dafür braucht es Raum. Die wenigsten Haltungskonzepte ermöglichen dem Pferd, selbst Strecke und „Gas“ zu machen, ohne dass ein Zaun sie früher oder später begrenzt. Umso wichtiger ist es Möglichkeiten zu schaffen in denen sich Pferde geradeaus im Rahmen ihrer Bewegungslust „frei laufen“ können.
Auch der geistige Input und die Lernerfahrung wie z.B. eine neue Strecke im Gelände, neue Reize wie das erste Treffen auf eine Kuh o.ä. nähren und fördern die Lernfähigkeit, -bereitschaft, Konzentrationsfähigkeit und geistige Auslastung. Neues zu erleben und zu erarbeiten wie z.B. eine unbekannte Lektion fördert nicht nur die Beziehung zwischen Mensch und Pferde, sondern die Ausgeglichenheit eines Pferdes, Stressreduktion sowie das Vertrauen in den eigenen Körper.
Sport macht glücklich, warum und wie ist das auf Pferde zu übertragen?
Die Wissenschaft ist sich nicht einig wieso Sport/Bewegung glücklich macht, aber vieles was sich in der Wissenschaft nicht beweisen lässt, steht in der Realität längst fest. Ob das Glücksgefühl nun durch Endorphine, Serotonine, Dopamine oder körpereigene Cannabinoide ausgelöst wird-who cares? Aber wir kennen es alle, viele von uns vermutlich aufgrund von Stallarbeit: Die rechtschaffende Müdigkeit- und auch wenn sich das nicht belegbar auf Pferde übertragen lässt, muss man dem Pferd einfach mal dabei zusehen wie zufrieden es ist, wenn es typentsprechend ausgelastet ist im Gegensatz zu denen die Über- oder unterfordert sind…es ist ein riesiger Unterschied.
Optimales Training sollte die Stärken und Schwächen von Pferden möglichst nah zueinander und ins Verhältnis bringen.
Eigentlich ist das keine große Wissenschaft, aber alles, was nach eigentlich kommt beginnt immer mit einem ABER.
Betrachtet man die Physiologie ist das Einzige, was wir trainieren können, bzw. was trainierbar ist, ist der aktive Bewegungsapparat, also die Muskulatur, alles weitere aus dem passiven Bewegungsapparat (Sehnen, Knochen, Bänder) sowie Herz-Kreislaufsystem und Stoffwechsel folgen.
Die verschiedenen Aufgaben der Muskulatur kann man in 4 funktionelle Bereiche unterteilen: Ausdauer, Schnellkraft, Koordination und Flexibilität
Zudem gibt es verschiedene Fasertypen:
-langsam kontrahierend: flach, ausdauernd(aerobes System)
-schnell kontrahierend, ausdauernd+schnell (aerob+anaerob)
-schnell kontrahierend II: wenig ausdauernd, dick, für die Schnellkraft (anaerobes System)
Ein gesunderhaltenes Training, sollte wenn möglich alle Fasertypen bzw. Bereiche ansprechen, es reicht weder nur Kraft noch nur Ausdauer zu trainieren, es sollte immer Komplex betrachtet werden. Grundlage dieser „Betrachtung“ sind Genetik bzw. Veranlagung/Talent des Pferdes. Auf Schub gezüchtete Rassen wie Beispielsweise Isländer, sind langes „joggen“ (Tölt oder zähneknirschend „Reisepass“) und Koordination(Trittsicherheit), dass was sie von sich aus mitbringen. Was ihnen wiederum weniger liegt ist Kraft und Balance. Ziel eines gesunderhaltenden Trainings sollte dementsprechend sein, Stärken und Schwächen möglichst nah zueinander zu bringen, also das Gefälle zu minimieren. Dabei gilt aber immer die jeweilige Reizschwelle des Pferdes mit einzubeziehen, wenn es also an Kraft mangelt, sollte man nicht Tag ein Tag aus, sein Pferd mit Dressurlektionen quälen, sondern in einer Dosierung anfangen, wo es dem Pferd spass macht und auch die Kraft ausreicht(->Ermüdung führt zu Verletzungen).
Meiner Meinung nach liegt die Schwierigkeit gesunden Trainings nicht unbedingt darin zu ermitteln was das Pferd braucht, sondern die Dosis dafür zu finden und sich auch an diese zu halten(eigene Erwartungen+Ehrgeiz). Auch die grundlegende Physiologie limitiert Training, Muskulatur benötigt an die 24 Stunden für die Regeneration, Sehnen um die 72Std, deshalb sind Pausen unerlässlich. Ich bin nicht allein mit meiner Meinung, dass es durchaus Sinn macht sich eine Art Trainingsplan zu erstellen, der die oben genannten funktionellen Bereiche abdeckt, auf die Stärken und Schwächen Deines Pferde ausgelegt ist und Pausen mit einbezieht, es muss auch nicht tageweise aufgeteilt werden, ein einziger Ausritte kann alle Bereiche abdecken, wenn man ein Gefühl dafür bekommen hat, was sich auf was auswirkt.
Habe ich die eingehende Frage des Trainings damit beantwortet? Nein, denn eigentlich ist es nicht schwer, aber eigentlich ist es das doch das Richtige Training für sich uns sein Pferd zu finden. Unterstützung bekommst Du durch DeineN OsteopathIn, PhysiotherapeutIn und TrainerIn, frag diese nach Euren Schwächen und wie Du daran arbeiten kannst.
Wir benötigen Ihre Zustimmung zum Laden der Übersetzungen
Wir nutzen einen Drittanbieter-Service, um den Inhalt der Website zu übersetzen, der möglicherweise Daten über Ihre Aktivitäten sammelt. Bitte überprüfen Sie die Details in der Datenschutzerklärung und akzeptieren Sie den Dienst, um die Übersetzungen zu sehen.